Die Butzbacher Zeitung schreibt über die Weidigschule Butzbach
Die Kunst der knappen Worte
Kurzgeschichte von Butzbacherin Sarah Ludwig erhält Ovag-Auszeichnung
Butzbach (pm). Man könnte einwenden: Klar, in einer Zeit, in der sich infolge der Digitalisierung und der sozialen Medien Schriftliches immer häufiger in die kurze Form verflüchtigt, liegen knappe und knappste Texte auf der Hand. Die Kunst jedoch besteht darin, auf gut anderthalb Seiten etwas derart Gehaltvolles zu Papier zu bringen, wofür andere ein Mehrfaches an Geschwätzigkeit benötigen. Diese Kunst ist der 16-jährigen Sarah Ludwig aus Butzbach mit ihrem Text »Zehn nach Fünf« gelungen. Damit wurde die Schülerin des Weidig-Gymnasiums im vergangenen Jahr von der Jury unter die Gewinner des 21. Jugend-Literaturpreises der Ovag gewählt.
Mit prononcierten Beschreibungen von Orten, Menschen und Stimmungen strickt Sarah Ludwig geschickt eine dichte Atmosphäre eines Dorfes, einer Straße in der Nachkriegszeit, schildert ohne jegliches Pathos und Sentiment die Ängste und Hoffnungen der Menschen, die übrig geblieben sind. »Und doch warten und hoffen sie alle. Auf Lebenszeichen. Auf Gerechtigkeit. Auf Geliebte. Auf Antworten«, heißt es.
Zeitlose Kriegsszenarien
Interessant: Jedem Leser steht ein anderes, reales Kriegsszenario vor Augen, so zeitlos sind die Aussagen, die Sarah Ludwig in ihrem Text trifft. »Beim Schreiben stand mir kein bestimmter Krieg vor Augen. Ich wollte das losgelöst von Zeit und Ort schildern.« So schreibt sie: »Der Krieg ist vorbei. Doch kein billiger Anstrich reicht aus, um ihn zu vergessen. Trotzdem ist es ein Anfang.«
Vor dem Verfassen ihrer Kurzgeschichte, sagt Sarah Ludwig, habe sie keine explizite Botschaft im Sinne gehabt, die sie habe vermitteln wollen. »Ich denke, die ergibt sich oft beim Schreiben.« Mit dem Schreiben sei sie gewissermaßen aufgewachsen. »Ich glaube, wir träumen uns viel zu gerne mal in andere Welten.« Sie habe mehr oder weniger immer nur für sich geschrieben, nie das Bedürfnis verspürt, ihr Schreiben mit anderen Menschen zu teilen, ihre Texte herumzuzeigen; sie schreibe Gedanken auf, um sie für spätere Zeitpunkte zu konservieren.
Warum sie »Zehn nach Fünf« letztlich beim Wettbewerb der Ovag eingereicht habe? »Ich las das meiner Mutter vor und sie meinte, es sei schade darum, wenn den Text nicht andere Menschen zu lesen bekämen.«
Woher sie die Ideen für ihre Texte schöpft? »Oft ist es Gott, der mich mit seinen Worten inspiriert.« Sarah Ludwig ist ein gläubiger Mensch. Sie sei zwar in einem religiösen Haushalt, aber als religionskritischer Mensch aufgewachsen. Dem Glauben sehr nahe gebracht hätten sie vor allem die ökumenischen Jugendtreffen im französischen Taize. »Viele Menschen warten darauf, dass Gott mit ihnen spricht. Es ist oft eher so, dass man mal genau hinhören muss.« Sprich: Bereit sein für das Hinhören, für das Gebet in einer Welt, in einer Zeit, in der Religion aus eben dieser gefallen zu sein scheint.
Sarah Ludwig denkt stets einen Moment nach, bevor sie antwortet. Sie hat überhaupt nichts Missionarisches, sondern spricht eher aus einer gewissen Ruhe und Gelassenheit, spricht mit Haltung, aus Überzeugung, scheint gefestigt, was eher ungewöhnlich für eine Jugendliche ihres Alters ist.
Warum sich so viele Menschen vom Glauben abwenden? »Ein Grund ist sicherlich, dass immer mehr Gott mit gereckter Faust entgegentreten, weil sie ihm vorwerfen, all das Unheil in dieser Welt zuzulassen. Scheint ja auf den ersten Blick auch nicht zu dem Versprechen eines liebenden Gottes zu passen.« Sie ist überzeugt, dass die Menschen »Lücken« — Fragen, Zweifel, Ungewissheit — in ihrem Leben zu schließen versuchen. Für manche seien Lösungen eben Alkohol, Drogen, mehr oder weniger sinnfreie Beschäftigungen; dabei seien Glaube und die Liebe an und zu Gott und Jesus der Schlüssel, den »wir alle gerne vergessen«.
Natürlich weiß Sarah Ludwig, dass sie mit ihrer Haltung, zumindest in ihrer Generation, hervorsticht, kokettiert aber nicht im Mindesten mit dieser Abweichung vom Bewegungsverhalten der Masse. Nie sei ihr eine wie auch immer geartete Form von Mobbing widerfahren. »Diskussionen, ja, der Austausch von Meinungen. Das finde ich wichtig, das gehört für mich auch zum Glauben.« Zudem wachse sie in einem liebevollen, freundschaftlichen Umfeld auf, das an sich schon einen Schutz vor denkbaren Anfeindungen bilde.
Schreiben bleibt Teil ihres Lebens
Ob sie einmal mit dem Schreiben ihr Geld verdienen will, bezweifelt sie. »Ich bin aber sicher, dass mich das Schreiben mein Leben lang begleiten wird.« Wie soll es nach dem Abitur weitergehen? Im Moment schwankt sie zwischen einem Studium der Neurochirurgie und Theologie.
Einsendungen für den 22. Jugend-Literaturpreis der Ovag bis 15. Juli an matle@ovag.de.
Butzbacher Zeitung, 17.01.2025
Ob sie mit dem Schreiben Geld verdienen wird, weiß Sarah Ludwig noch nicht. Die Gewinnerin des Ovag-Jugend-Literautpreises möchte sich zunächst auf ein Studiium konzentrieren.
FOTO: PM