Die Butzbacher Zeitung schreibt über die Weidigschule Butzbach
Ehemaliger Lehrer der Weidigschule erlebt Krieg im Palästinensergebiet
Matthias Wolf arbeitet an evangelisch-lutherischer Schule / Ein Ausgang nach Jerusalem, einer in die Westbank
BUTZBACH/GRÜNBERG (Ir). Studiendirektor Matthias Wolf ist seit fünf Jahren Leiter einer deutschen Schule in der palästinensischen Stadt Beit Jala zwischen Jerusalem und Bethlehem. 2018 hat der heute 60-Jährige dafür seine Stelle als Fachbereichsleiter am Weidiggymnasium in Butzbach aufgegeben.
In dem Krieg zwischen der Hamas und dem Land Israel lebt er zwischen den Fronten. „Am Samstag mussten wir die Schule evakuieren, da mehrere Geschosse von Gaza aus sich Richtung Jerusalem bewegten und in den Vororten niedergingen“, schildert der 60-Jährige die Erlebnisse der letzten Tage. „Das war echt herausfordernd und hätte ich in meinem letzten Jahr hier nicht unbedingt gebraucht“, erläutert Wolf, der die vom Berliner Missionswerk getragene evangelisch-lutherische Schule „Talitha Kumi“ in Zusammenarbeit mit der „Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land“ leitet.
Wolf ist Chef von rund 100 Mitarbeitern, darunter 55 palästinensische und 15 von der Bundesrepublik Deutschland vermittelte Lehrer. „Es geht uns gut“, beruhigt er die Menschen in der Heimat, allen voran seine Ehefrau Elvira in Grünberg und seine zwei erwachsenen Kinder Valerie und Christopher. Der GazaStreifen, in dem derzeit die Kämpfe stattfinden, liegt rund 70 Kilometer entfernt von Wolfs Schule.
Trotzdem habe Krieg Auswirkungen auf den Schulalltag. „Seit Montag sind wir im Online-Unterricht“. Die Regierung hat die Bevölkerung aufgerufen zu Hause zu bleiben, Vorräte anzulegen, den Unterricht, der bereits in Corona-Zeiten im HomeSchooling stattfand, nun wieder online zu machen und ruhig zu bleiben. „Am Montag wurde die Krisenstufe 2A ausgerufen, dies bedeutet, dass Familienangehörige die Möglichkeit erhalten auszureisen. Für uns ist dies derzeit noch nicht vorgesehen. Auch am Flughafen Ben Gurion ging ja eine Rakete runter und der Flugverkehr ist immer mal wieder eingeschränkt.“
„Talitha Kumi“, die zu den Leuchtturmschulen Palästinas zählt, wurde 1997 in den Kreis der Unesco-Schulen aufgenommen und 2017 als „Exzellente Deutsche Auslandsschule“ zertifiziert. „Ziel unseres Einsatzes für palästinensische Kinder und Jugendliche ist es, durch Bildung zu Verständigung und zum Frieden beizutragen in einer wenig friedvollen Region“, erklärt Wolf. Die Schüler können in Beit Jala sowohl den palästinensischen als auch den deutschen Schulabschluss erwerben. Dadurch können sie später in Deutschland studieren.
Etwa 700 Schüler nehmen am Unterricht der Klassenstufen eins bis 12 teil. 30 Prozent von ihnen kommen aus christlichen, 70 Prozent aus muslimischen Familien. Weitere 135 Kinder besuchen den angegliederten Kindergarten. An der ebenfalls zu Talitha Kumi gehörenden Berufsschule lassen sich 100 Studenten im Bereich Hotelerie und Gas- • tronomie ausbilden. Wie sehr Wolf zwischen allen Stühlen sitzt, zeigen diese Zahlen eindrucksvoll. Zudem gibt es noch ein symbolträchtiges Bild: „Unsere Schule hat einen Ausgang nach Jerusalem ‚und einen in die Westbank.“
Butzbacher Zeitung, 13.10.2023
BUTZBACH/GRÜNBERG. Matthias Wolf unterrichtet wegen des Kriegs in Israel derzeit online.
Foto: Ir