Die Butzbacher Zeitung schreibt über die Weidigschule Butzbach
Mit vier Jahren ins Lager
Zeitzeuge „Mietek“ berichtet an Weidigschule über Holocaust
Butzbach (pm). Mieczyslaw »Mietek« Grochowski, ein Zeitzeuge des Holocausts, hat es sich zur Aufgabe gemacht, an die Opfer der Nazis zu erinnern. »Mietek« wurde als Kind im Alter von nur vier Jahren in das Lager Stutthof verschleppt. Jetzt war er an der Weidigschule zu Gast und teilte seine Erinnerungen mit den Schülern der Jahrgangsstufe 13.
Andrea Schreiber-Guth, Leiterin des gesellschaftlichen Fachbereiches, begrüßte den Gast, ebenso Neithard Dahlen vom Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland. Der von ihm repräsentierte Verein habe unter anderem zum Ziel, die nachfolgenden Generationen zu motivieren, sich für eine bessere Zukunft einzusetzen. Dahlen sprach in seinen einleitenden Worten unter anderem davon, dass die Würde jedes Einzelnen nur durch gegenseitigen Respekt füreinander entstehe: »Nur wer die Würde des anderen ermöglicht, hat eine eigene Würde.«
Vater unterschreibt Volksliste nicht
Zur Erinnerung an das Leid der Kinder von Potulice eröffnete Grochowski seinen Vortrag mit den Trompetenklängen eines von ihm selbst komie ponierten Liedes. »Mietek«, heute 86 Jahre alt, berichtete, wie er mit vier Jahren ins Lager Stutthof kam. Er stammt aus einem kleinen Dorf in Polen nahe der Grenze zu Deutschland.
Nach Ausbruch des Krieges versuchten die deutschen Besatzer, Teile der pommerschen Bevölkerung zu »germanisieren«. Die sogenannte Volksliste wurde erstellt, Personen, die hier aufgenommen wurden, wurde die deutsche Staatsbürgerschaft zugesprochen. »Mieteks« Vater war nicht bereit, sich anzupassen und seine polnische Identität aufzugeben. Er unterschrieb die Volksliste nicht, woraufhin die Eltern und ihre acht Kinder abgeholt und ins Lager gebracht wurden. Der Vater wurde von der Familie getrennt und durfte sie nur alle drei Monate für kurze Besuche sehen. Nur »Mietek« und seine zwei Jahre ältere Schwester durften bei der Mutter bleiben, die täglich zwölf Stunden in der Näherei arbeiten musste.
Somit waren die Kinder sich weitgehend selbst in dieser schrecklichen Umgebung überlassen. Die hygienischen Verhältnisse waren furchtbar und der Hunger war groß, die Kinder erhielten etwa 800 Kalorien täglich, was laut »Mietek« »zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel war«.
Drei Monate vor der Befreiung konnten alle Kinder, die noch Verwandte außerhalb des Lagers hatten, abgeholt werden und so wurde »Mietek« zu seiner Tante gebracht.
Nach der Befreiung kehrte die Mutter zurück, ihr eigenes Haus war jedoch von Russen zerstört worden. Mithilfe des Großvaters fanden sie ein von Deutschen verlassenes Haus, in dem sie mithilfe einer vor Ort verbliebenen deutschen Familie überlebten. Zu dieser Familie habe er bis heute einen intensiven Kontakt, berichtete Grochowski.
Als Jugendlicher wechselte er auf ein Internat und wurde dann Automechaniker. Durch einen Zufall kam er zum Trompetenspiel, das bis heute seine große Leidenschaft ist. Im Verlauf des Vortrages spielte er zwei weitere zum Thema passende Musikstücke. Nach seiner Pensionierung spielte er jahrelang im Zirkus im Orchester. Dort lernte er die deutsche Zirkusartistin Heidi kennen, mit der er heute glücklich verheiratet ist und abwechselnd in Danzig und Berlin lebt.
In seiner Familie habe man nicht über die Erfahrungen des Krieges gesprochen, seine Mutter habe aber den Kindern mit auf den Weg gegeben, den Hass auf andere nicht zuzulassen. Ein Häftling habe in Auschwitz mit dem Nagel Folgendes an die Wand gekratzt: »Unsere Schatten rufen nicht nach Rache, sondern nach Erinnerung.« Genau dies sehe er heute als seine Aufgabe an, weshalb er bundesweit immer wieder vor Menschen spreche.
Verharmlosung entgegentreten
Eiric Zaunberger und Johanna Kopp nutzten im Anschluss an »Mieteks« Erzählungen die Möglichkeit, das Gehörte durch Fragen, die gemeinsam mit dem Leistungskurs Geschichte vorbereitet worden waren, zu vertiefen.
Schreiber-Guth betonte, dass es nun an der heutigen Gesellschaft liege, die Geschichten und Lehren weiterzutragen und sicherzustellen, dass »Nie wieder« nicht nur eine Phrase bleibe, sondern ein aktives Versprechen, jeder Verharmlosung und jedem Anzeichen von Hass und Intoleranz entgegenzutreten. Im Anschluss an die Veranstaltung suchten einige Schüler den persönlichen Kontakt zu Grochowski, woraus sich eine lebhafte und herzliche Unterhaltung ergab.
Ermöglicht wurde die Finanzierung der Veranstaltung dankenswerterweise durch den Verein zur Förderung der Weidigschule und die Landeszentrale für politische Bildung, deren stellvertretender Leiter, Felix Münch, anwesend war.
Butzbacher Zeitung, 01.02.2025
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Mit Trompetenklängen unterstreicht Mieczyslaw Grochowski seinen Zeitzeugen-Vortrag in der Weidigschule.
FOTOS: PM
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»Mietek« im Gespräch mit Neithard Dahlen (l.) und Schülern.